Nordrhein-Westfalen steht an der Schwelle einer umfassenden digitalen Transformation, die Bildung, Arbeitsmarkt und Gesellschaft tiefgreifend verändert. Mit strategischen Investitionen und gezielten Maßnahmen bereitet sich das Land darauf vor, die Chancen der Digitalisierung zu nutzen und den Herausforderungen des Fachkräftemangels sowie der sich wandelnden Arbeitswelt zu begegnen. Es geht darum, eine zukunftsfähige Infrastruktur zu schaffen, Lehrkräfte sowie Schülerinnen und Schüler gleichermaßen zu qualifizieren und lebenslanges Lernen als Kernprinzip zu etablieren.
Die Digitalstrategie Schule NRW: Eine Zukunftsroadmap für Bildung
Die „Digitalstrategie Schule NRW“ bildet das Fundament für die umfassende Modernisierung der schulischen Bildung im Land. Das Gesamtkonzept definiert schul- und bildungspolitische Ziele, Maßnahmen und Verantwortlichkeiten für das „Lehren und Lernen in der digitalen Welt“. Bis 2025 sind hierfür Investitionen von rund zwei Milliarden Euro vorgesehen. Diese Mittel fließen in drei zentrale Handlungsfelder: die pädagogischen und didaktischen Chancen der Digitalisierung, die Unterstützung und Qualifizierung von Lehrkräften sowie den Zugang zu digitalen Medien und digitaler Infrastruktur.
Ein wichtiger Baustein ist die Internetseite lernen-digital.nrw, die allen Schulen in NRW Arbeitshilfen und Unterstützungsstrukturen für die digitalisierungsbezogene Schul- und Unterrichtsentwicklung bietet. Ergänzend dazu zielt ein zweites Ausstattungsprogramm darauf ab, rund 370.000 Schülerinnen und Schüler an besonders belasteten allgemeinbildenden Schulen, Förderschulen, Weiterbildungskollegs und bestimmten Berufskollegs mit mobilen digitalen Endgeräten auszustatten.
Digitales Lehren und Lernen: Konzepte und Umsetzung
Digitale Medien haben das Potenzial, die Art und Weise des Lernens und Unterrichtens grundlegend zu verändern und zu bereichern. Sie ermöglichen eine zeitgemäße Gestaltung schulischer Lehr- und Lernprozesse, verändern die Möglichkeiten des Wissenserwerbs, fördern selbstgesteuertes Lernen und vernetztes Denken, unterstützen Teilhabe und Kreativität und stärken kritisches Denken. Hierfür stehen Schulen der Primarstufe und weiterführenden Schulen beispielsweise 21 Moodle-Kurse für das fachliche Lernen mit digitalen Medien zur Verfügung.
Eine entscheidende Rolle spielen dabei Digitalisierungsbeauftragte an den Schulen. Ihre Qualifizierung erfolgt begleitend, und sie unterstützen ihre Schule bei der Gestaltung und Entwicklung des Lernens und Lehrens in der digitalen Welt. Sie bringen sich aktiv in die Weiterentwicklung des schuleigenen Medienkonzepts ein und initiieren den Austausch im Kollegium über digitale Unterrichtsgestaltung.
Die Digitale Fortbildungsoffensive NRW begleitet Lehrkräfte und weiteres unterrichtsnah tätiges Schulpersonal durch geeignete Fortbildungsmaßnahmen, um sie bei der Umsetzung digitalbasierter Konzepte des Lehrens und Lernens zu unterstützen und den sicheren Umgang mit digitalen Medien zu gewährleisten. Auch für Schulleitungen gibt es digitale Fortbildungsveranstaltungen, die Live-Inputs, kollegialen Austausch und Workshop-Phasen umfassen.
Berufliche Bildung im digitalen Wandel: Neue Anforderungen und Qualifizierungen
Die Digitalisierung stellt auch die berufliche Bildung vor große Herausforderungen, da sie junge Menschen auf eine digitale Arbeitswelt vorbereiten soll, deren Anforderungen noch unbekannt sind. Um dem gerecht zu werden, wurde die Zusatzqualifikation „Digitalität in der Beruflichen Bildung“ für Schülerinnen und Schüler der Berufskollegs in Nordrhein-Westfalen eingeführt. Diese Zusatzqualifikation ermöglicht den Erwerb eines zusätzlichen Zertifikats im Bereich digitaler Schlüsselkompetenzen, das das individuelle Bewerbungsportfolio bereichert und den Übergang in den Arbeitsmarkt erleichtert. Das Curriculum umfasst fünf Anforderungssituationen, die niveau- und fachbereichsübergreifend sind, wie beispielsweise die Grundlagen digital gestützter Arbeitsumgebungen, Kommunikation und Informationsdarstellung, Informations- und Kommunikationsnetze sowie Datenschutz und Informationssicherheit.
Bereits 2018 wurden sieben Millionen Euro in eine Zusatzqualifikation Digitalisierung für 2.000 Auszubildende im Maschinenbau investiert. Dies unterstreicht die Bedeutung der digitalen Transformation spezifischer Branchen. Das Land und Partner wie die Nachwuchsstiftung Maschinenbau haben hier kooperiert, um Lehrkräfte und Ausbilder zu qualifizieren und anschließend die Auszubildenden in „Digitalen Fertigungsprozessen“ zu schulen. Diese Initiative ist Teil einer Agenda zur Stärkung der beruflichen Bildung und zur Entwicklung Nordrhein-Westfalens zum führenden Maschinenbauland. Auch Hochschulen sind gefordert: Bis 2028 sollen digitale Kompetenzen verpflichtend in allen Studiengängen für Berufsschullehrkräfte verankert sein, um didaktisches Potenzial zu nutzen und veraltete Inhalte zu vermeiden.
Herausforderungen und Chancen des Fachkräftemangels durch Digitalisierung
Die digitale Transformation und der damit verbundene Fachkräftemangel sind eng miteinander verknüpft. Während die Digitalisierung einerseits traditionelle Arbeitsprozesse durch Automatisierung ersetzt und in einigen Sektoren zu Stellenabbau führen kann, schafft sie andererseits auch zahlreiche neue Arbeitsplätze und Berufe. Studien gehen sogar davon aus, dass die Digitalisierung insgesamt einen neutralen bis positiven Effekt auf das quantitative Niveau der Beschäftigung haben wird. Das Problem liegt oft darin, Arbeitssuchende und neue Arbeitsplätze zusammenzubringen.
Lebenslanges Lernen und Weiterbildung gewinnen daher entscheidend an Bedeutung, um den Anforderungen der digitalen Arbeitswelt gerecht zu werden. Der Landesbetrieb IT.NRW beispielsweise bietet über 200 Fortbildungsthemen an, um Beschäftigten der Landes- und Kommunalverwaltung den Erwerb vielfältiger Fach‑, Methoden‑, Kommunikations- und Kooperationskompetenzen zu ermöglichen. Diese Angebote stärken persönliche Kompetenzen, ermöglichen den kompetenten Umgang mit Daten, verbessern die Zusammenarbeit in digitalen Umgebungen und schulen im Management von Prozessen und IT-Projekten. Auch Volkshochschulen in NRW qualifizieren Menschen im Umgang mit Künstlicher Intelligenz und bieten ein Innovationsstipendium zur Förderung digitaler Bildung an.
Zukunft der Arbeit in NRW: Gestaltung statt Reaktion
Die Digitalisierung ist nicht nur technologiegetrieben, sondern auch eine soziale Gestaltungsaufgabe und damit ein zentrales Zukunftsthema. Sie beeinflusst Arbeitszeit, Arbeitsort und ‑form, ermöglicht flexible Arbeitsmodelle wie Homeoffice und Remote-Arbeit und erhöht die Autonomie für Arbeitnehmer. Gleichzeitig birgt sie Risiken wie das Vermischen von Berufs- und Privatleben sowie den Verlust traditioneller Arbeitsplätze.
Das Arbeitsministerium NRW setzt Impulse und schafft durch Förderprogramme Rahmenbedingungen, die eine gemeinsame Bewältigung des digitalen Wandels ermöglichen. Es geht um eine Veränderung der Unternehmenskultur und die Bereitschaft zu Veränderung und Weiterentwicklung auf Seiten von Beschäftigten und Arbeitgebern. Der „Nordrhein-Westfalen-Plan für gute Infrastruktur“ sieht Investitionen von über 30 Milliarden Euro in den nächsten zwölf Jahren vor, wovon ein Großteil in die kommunale Infrastruktur, insbesondere in Bildung, fließen wird.
KI in der Bildung und Arbeitswelt: NRW als Vorreiter
Ein besonders zukunftsweisender Schritt ist die geplante Einführung der Künstlichen Intelligenz (KI) in Prüfungsleistungen des Abiturs in Nordrhein-Westfalen ab dem Jahrgang 2030. NRW wäre damit bundesweit Vorreiter und plant die Einführung eines neuen, fünften Abiturfachs, in dem Schülerinnen und Schüler eigenständig Projekte mit KI-basierten Werkzeugen entwickeln dürfen. Ziel ist es, das Abitur an die Anforderungen der modernen Wissensgesellschaft anzupassen und Kompetenzen wie kritisches Denken, Kreativität und Problemlösungsfähigkeit zu stärken. Lehrkräfte stehen hier vor der Herausforderung der eigenen Weiterbildung, wobei gezielte Angebote und personelle Entlastung für den Erfolg entscheidend sind.
Auch in der Arbeitswelt findet KI bereits Anwendung, beispielsweise durch Seminare wie „Künstliche Intelligenz für Apotheken“ in NRW. Diese praxisnahen Einführungen sollen Apotheken den Einstieg in die innovative Technologie erleichtern und konkrete Einsatzmöglichkeiten im Arbeitsalltag aufzeigen, um dem Fachkräftemangel zu begegnen.
Fazit
Nordrhein-Westfalen verfolgt eine umfassende und vorausschauende Strategie, um die digitale Transformation in Bildung und Arbeitswelt aktiv zu gestalten. Durch Milliardeninvestitionen in die schulische und berufliche Bildung, gezielte Qualifizierungsmaßnahmen für Lehrkräfte und Fachkräfte sowie die Förderung digitaler Kompetenzen auf allen Ebenen, legt das Land das Fundament für eine zukunftsfähige Gesellschaft und Wirtschaft. Die Einführung von KI im Abitur und branchenspezifische Weiterbildungsangebote zeigen den Willen, an der Spitze des technologischen Wandels zu agieren. Es ist ein dynamischer Prozess, der kontinuierliches Engagement für lebenslanges Lernen und eine flexible Anpassung an neue Gegebenheiten erfordert, um den Fachkräftemangel zu überwinden und die Chancen der Digitalisierung voll auszuschöpfen.
Weiterführende Quellen
https://www.lernen-digital.nrw/
https://medienwelten.ekz.de/product?id=pim:60381788e2e89928fafe1a37
https://www.qua-lis.nrw.de/zusatzqualifikationen-digitale-kompetenzen-berufsbildung

