Die Arbeitswelt unterliegt einem stetigen Wandel, der von wachsender Komplexität und rasanten technologischen Entwicklungen geprägt ist. Für Betriebsräte bedeutet dies eine kontinuierliche Notwendigkeit zur Weiterbildung, um den Interessen der Arbeitnehmer gerecht zu werden und ihre Aufgaben effektiv wahrnehmen zu können. In diesem Kontext gewinnen flexible Lernformate wie Blended Learning und hybride Modelle zunehmend an Bedeutung, da sie eine zeitgemäße und effiziente Qualifizierung ermöglichen.
Hybride und Blended Learning: Konzepte und Chancen
Blended Learning, oft auch als „integriertes Lernen“ oder „hybrides Lernen“ bezeichnet, stellt ein didaktisches Konzept dar, das die Stärken von E‑Learning und Präsenz-Lerneinheiten miteinander verbindet. Es schafft eine vielfältige Lernumgebung, indem es digitale und klassische Lernformate mischt, um die Motivation zu fördern und einen nachhaltigen Wissenstransfer zu gewährleisten. Hybride Lernformate gehen einen Schritt weiter, indem sie eine flexible Teilnahme ermöglichen, die sowohl Präsenz- als auch Online-Teilnehmer berücksichtigt und sich besonders für große, standortübergreifende Betriebsräte eignet. Ziel ist es, die Flexibilität des Online-Lernens mit der wichtigen sozialen Komponente von Präsenzterminen zu vereinen.
Typische Bestandteile solcher Lernkonzepte umfassen flexible Selbstlernphasen, interaktive Online-Workshops und intensive Präsenzworkshops. Diese innovative Kombination ermöglicht es, die Vorteile beider Welten optimal zu nutzen: Die individuelle Anpassungsfähigkeit digitaler Medien wird ergänzt durch den direkten Austausch und die praktischen Übungen, die Präsenzveranstaltungen bieten.
Vorteile flexibler Lernformate für Betriebsräte
Die Einführung von Blended Learning und hybriden Formaten für Betriebsratsschulungen bringt eine Reihe signifikanter Vorteile mit sich:
Erhöhte Flexibilität und Ortsunabhängigkeit
Betriebsratsmitglieder, die aus zwingenden beruflichen oder privaten Gründen eine längere Abwesenheit vom Betrieb oder Wohnort nicht ermöglichen können, profitieren besonders von der Ortsunabhängigkeit digitaler Angebote. Die Möglichkeit, von zu Hause oder vom Arbeitsplatz aus zu lernen, reduziert den Reise- und Zeitaufwand erheblich. Dies kann auch die Belastung für den Arbeitsalltag mindern und zusätzliche Kosten für Anfahrt und Übernachtung eliminieren.
Effizienz und Zeitersparnis
Durch Selbstlernphasen können sich die Teilnehmer optimal auf Inhalte vorbereiten und ihr eigenes Lerntempo bestimmen. Dies ermöglicht eine fokussierte Erarbeitung relevanter Themen und steigert die Effizienz der Weiterbildung. Digitale Formate, wie Live-Webinare, sind zudem darauf ausgelegt, Wissen ortsflexibel und ohne Reisen zu vermitteln, was eine erhebliche Zeitersparnis mit sich bringt.
Nachhaltiges Lernen und Wissenstransfer
Blended Learning Konzepte sind darauf ausgelegt, nachhaltige Learning Experiences zu fördern und den Lernerfolg zu steigern. Sie tragen dazu bei, betriebliche Weiterbildung produktiv und zukunftsfähig zu gestalten. Die Teilnahme an solchen Formaten, beispielsweise im Rahmen von Forschungsprojekten der Hans-Böckler-Stiftung, ermöglicht es Betriebsräten sogar, aktiv zur Gestaltung der Zukunft der Weiterbildung beizutragen.
Individuelle Lernfortschritte und interaktiver Austausch
E‑Learning als Oberbegriff für elektronisches Lernen erlaubt es den Lernenden, Lernstoff, Ort, Dauer und Zeiten des Lernens selbst zu bestimmen. Dies unterstützt individuelle Lernfortschritte. Trotz der digitalen Komponente bleibt der interaktive Austausch ein zentraler Bestandteil. Online-Workshops bieten wöchentliche Live-Sessions mit erfahrenen Referenten und Raum für Fragen und Diskussionen. Breakout Rooms ermöglichen gezielte Gruppenarbeiten und fördern den Austausch unter den Teilnehmern. Der gegenseitige Austausch von Erfahrungen und Best Practices unter Kollegen ist ein wesentlicher Vorteil, der die Lernqualität maßgeblich steigert.
Rechtlicher Rahmen und Mitbestimmung des Betriebsrats
Die Weiterbildung von Betriebsräten unterliegt klaren rechtlichen Bestimmungen, die auch bei digitalen und hybriden Formaten zu beachten sind.
Schulungsanspruch und Kostenübernahme
Der Arbeitgeber ist nach § 40 Abs. 1 i.V.m. § 37 Abs. 6 BetrVG verpflichtet, die Schulungskosten für erforderliche E‑Learning-Angebote zu tragen. Hierbei gelten die gleichen Voraussetzungen wie bei Präsenzseminaren: Die Maßnahme muss erforderlich und verhältnismäßig sein. Da bei E‑Learning oft keine Reise- und Hotelkosten anfallen, wird der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz in der Regel gewahrt. Für die Teilnahme an E‑Learning-Angeboten außerhalb der regulären Arbeitszeit besteht zudem ein Anspruch auf Freizeitausgleich gemäß § 37 Abs. 3 BetrVG.
Wahl der Seminarform und Beurteilungsspielraum
Dem Betriebsrat steht bei der Wahl der Seminarform ein gewisser Beurteilungsspielraum zu, der Inhalt, Dauer und Teilnehmerzahl umfasst. Obwohl digitale Kommunikation und Lernformate zunehmend Standard werden, gibt es Themen, die in klassischen Präsenzseminaren effektiver vermittelt werden können, beispielsweise Schulungen zum Konfliktmanagement, bei denen verbale und nonverbale Fertigkeiten intensiv trainiert werden müssen. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat in der Vergangenheit die Erforderlichkeit von Rhetorikseminaren bestätigt, da Betriebsräte bestimmte rhetorische Fähigkeiten benötigen, um ihre gesetzlichen Aufgaben sachgerecht zu erfüllen.
Mitbestimmungsrechte bei der Einführung digitaler Lernsysteme
Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei der Durchführung von Maßnahmen der betrieblichen Weiterbildung nach § 98 Abs. 1 BetrVG erstreckt sich auch auf die Form der Wissensvermittlung. Der Betriebsrat hat also über die Anwendung der E‑Learning-Methode für betriebliche Bildungsmaßnahmen mitzubestimmen. Die Einführung von E‑Learning im Unternehmen erfordert oft eine systematische und gut durchdachte Betriebsvereinbarung. Insbesondere wenn das E‑Learning-System geeignet ist, Daten über Leistung und Verhalten der Arbeitnehmer zu erfassen und zu verarbeiten, hat der Betriebsrat nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG mitzubestimmen. Dies ist entscheidend für den Datenschutz und die Vermeidung von Leistungs- und Verhaltenskontrollen ohne entsprechende Regelungen. Der Arbeitgeber ist verpflichtet, den Betriebsrat bereits in der Planungsphase umfassend und rechtzeitig über die Einführung von E‑Learning zu informieren (§ 80 BetrVG).
Beschlussfassung
Eine ordnungsgemäße Beschlussfassung des Betriebsrats ist unerlässlich, damit die teilnehmenden Betriebsratsmitglieder Anspruch auf Entgeltfortzahlung und Freistellung haben und der Arbeitgeber zur Übernahme der Kosten verpflichtet ist.
Praktische Umsetzung: Von Online-Workshops bis zu Selbstlernphasen
Die Umsetzung von Blended Learning und hybriden Lernkonzepten im Kontext von Betriebsratsschulungen beinhaltet vielfältige Formate:
Online-Workshops und Webinare
Online-Workshops und Webinare ermöglichen den direkten Austausch mit Referenten und anderen Teilnehmern in einem virtuellen Seminarraum. Moderne Plattformen unterstützen interaktive Lernerlebnisse durch Funktionen wie Breakout Rooms für Kleingruppenarbeit. Diese Live-Sessions verbinden Theorie und Praxis und bieten Raum, Fragen zu klären und Gelerntes direkt anzuwenden.
Selbstlernphasen
In den Selbstlernphasen nutzen die Teilnehmer moderne Lernplattformen wie das OnlineBiZ, die umfassende Materialien zur flexiblen Erarbeitung des Lernstoffs bereitstellen. Ergänzend dazu wird die Bildung von Lerngruppen oder Lern-Tandems gefördert, um den Austausch und die gegenseitige Motivation zu unterstützen.
Digitale Tools und Plattformen
Der Einsatz von digitalen Medien und IT-Systemen zur Verteilung und Präsentation von Lernmaterialien ist Kern des E‑Learnings. Moderne Lernplattformen und Learning-Management-Systeme (LMS) sind dabei etabliert. Auch digitale Kommunikationstools wie Microsoft Teams oder Zoom spielen eine Rolle für digitale Betriebsratsarbeit und Schulungen.
Hybride Modelle
Die Kombination aus flexiblen Selbstlernphasen, interaktiven Online-Workshops und einem intensiven zweitägigen Präsenzworkshop hat sich als effektives hybrides Modell bewährt, beispielsweise zur Vermittlung der Grundlagen der Betriebsverfassung.
Effizienz und Nachhaltigkeit in der Weiterbildung
Die flexiblen Schulungsmodelle tragen maßgeblich zu einer effizienteren und nachhaltigeren Weiterbildung bei:
Ressourcenschonung
Durch die Reduzierung von Reisen und damit verbundenen Emissionen leisten digitale und hybride Formate einen Beitrag zur Nachhaltigkeit und schonen Ressourcen.
Langfristiger Wissenstransfer
Blended Learning Konzepte bieten gute Voraussetzungen, Lernumgebungen am Arbeitsplatz produktiv und zukunftsfähig zu gestalten, indem sie nachhaltige Learning Experiences fördern und den Lernerfolg steigern. Dies ist entscheidend, um die Kompetenzentwicklung der Betriebsräte langfristig zu sichern.
Anpassung an die moderne Arbeitswelt
Für Betriebsräte ist es entscheidend, mit der Digitalisierung und den Anforderungen der Arbeitswelt 4.0 Schritt zu halten. Digitale und hybride Weiterbildungsangebote ermöglichen es, wichtige Kompetenzen im Umgang mit neuen Technologien wie Künstlicher Intelligenz, Cloud-Computing oder neuen Software-Anwendungen zu erwerben.
Herausforderungen und Lösungsansätze
Trotz der vielen Vorteile gibt es bei der Einführung und Nutzung digitaler Lernformate auch Herausforderungen:
Technische Ausstattung und digitale Kompetenz
Eine grundlegende Voraussetzung für die Teilnahme an Online-Seminaren ist eine angemessene technische Ausstattung (Laptop/PC, Internetverbindung, Mikrofon). Zudem ist die Förderung der digitalen Kompetenz der Betriebsratsmitglieder entscheidend, um digitale Tools effektiv nutzen zu können.
Mangelnder persönlicher Austausch
Einige Stimmen betonen, dass der persönliche Austausch und das Lernen voneinander in Präsenzseminaren, insbesondere bei komplexen Themen, effektiver sein können als in Online-Schulungen. Hybride Formate versuchen, diese Lücke durch integrierte Präsenzphasen zu schließen und so das Beste aus beiden Welten zu vereinen.
Rechtliche und organisatorische Anpassungen
Die digitale Betriebsratsarbeit steckt in Teilen noch in den Kinderschuhen, da rechtliche Rahmenbedingungen wie das Betriebsverfassungsgesetz noch nicht vollständig an die digitalen Möglichkeiten angepasst sind, beispielsweise bei digitalen Wahlen. Die Geschäftsordnung des Betriebsrats muss bei der Einführung digitaler oder hybrider Sitzungen entsprechend angepasst werden, um rechtliche Sicherheit zu gewährleisten.
Fazit
Die digitale Transformation hat die Weiterbildung von Betriebsräten grundlegend verändert. Blended Learning und hybride Lernformate bieten eine flexible, effiziente und nachhaltige Lösung, um den kontinuierlich steigenden Anforderungen an die Kompetenzentwicklung der Betriebsräte gerecht zu werden. Sie ermöglichen es, Wissen orts- und zeitunabhängig zu erwerben, Kosten zu sparen und individuelle Lernwege zu gestalten. Gleichzeitig ist es entscheidend, die rechtlichen Rahmenbedingungen der Mitbestimmung zu beachten und durchdachte Betriebsvereinbarungen zu schließen, insbesondere im Hinblick auf den Datenschutz. Indem die Vorteile des digitalen Lernens mit der Relevanz des persönlichen Austauschs in Präsenzphasen kombiniert werden, kann eine zukunftsfähige und effektive Weiterbildung sichergestellt werden, die den Betriebsrat optimal auf seine wichtige Rolle in der modernen Arbeitswelt vorbereitet.
Weiterführende Quellen
https://vinya.io/blog/e‑learning/blended-learning-konzepte-in-unternehmen/
https://kliemt.blog/2024/03/11/webinar-oder-praesenzschulung-freie-wahl-fuer-den-betriebsrat/
https://kliemt.blog/2016/06/01/weiterbildung‑4–0‑betriebsratsrechte-beim-einsatz-von-e-learning/
https://www.boeckler.de/fpdf/HBS-008525/p_wsi_studies_33_2023.pdf

